Muss bei der Einordnung, ob ein Fahrzeug noch repariert werden darf, die Wertverbesserung bzw. Neu-für-alt von den Reparaturkosten abgezogen werden?
Antwort in aller Kürze
Das OLG Bamberg hat in seinem Urteil aus dem Jahr 2017 (s. unten) entschieden, dass die Wertverbesserung nicht von den Reparaturkosten abgezogen werden kann, bevor die Grenzwerte ermittelt werden. Dies gilt sowohl für die Totalschadengrenze (100%-Grenze) als auch für die 130%-Grenze.
Die Fragestellung
Beispiel 1: Totalschadengrenze
Wiederbeschaffungswert (WBW): 1.000 €
Reparaturkosten (RK): 1.050 €
Neu-für-alt-Abzüge: 100 €
Ist dies ein Reparaturschaden oder ein Totalschaden?
- Argumentation für Reparaturschaden (laut OLG Bamberg nicht zulässig):
RK - NfA = 950 €
950 € sind kleiner dem Wiederbeschaffungswert, ergo dürfte repariert werden. - Argumentation für Totalschaden (laut OLG Bamberg korrekt):
RK = 1.050 €
1.050 € sind größer als der Wiederbeschaffungswert, ergo handelt es sich um einen Totalschaden. Das Fahrzeug ist nicht reparaturwürdig (Ausnahme: Weiternutzung im Rahmen der 130%-Regelung)
Beispiel 2: 130%-Regelung
Die Ermittlung des Grenzwertes geschieht nach der gleichen Logik wie im Beispiel 1.
Wiederbeschaffungswert (WBW): 1.000 €
130%-Wert: 1.300 €
Reparaturkosten (RK): 1.350 €
Neu-für-alt-Abzüge: 100 €
Kann der Anspruchsteller im Rahmen der 130%-Regelung reparieren lassen oder nicht?
- Argumentation für Reparaturschaden auf 130% (laut OLG Bamberg nicht zulässig):
RK - NfA = 1.250 €
1.250 € sind kleiner als 130% des Wiederbeschaffungswerts, ergo darf repariert werden. - Argumentation für Totalschaden (laut OLG Bamberg korrekt):
RK = 1.350 €
1.350 € sind größer als 130% des Wiederbeschaffungswerts, ergo handelt es sich um einen nicht wirtschaftlich reparablen Schaden.
Alle Werte sind brutto angegeben. Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Anspruchsteller gelten die Nettowerte.
Urteil des OLG Bamberg (Quellenangabe)
Zentrales Zitat:
Bei der Grenzwertberechnung ist der vom Sachverständigen errechnete Abzug Neu für Alt nicht zu berücksichtigen.
Argumentation des Gerichts
Das Gericht bezieht sich auf ein Urteil des BGH, in dem sich in den Geschädigten hineinversetzt wird. Wann würde ein vernünftig denkender Mensch reparieren lassen? Wahrscheinlich nur, wenn die Reparaturkosten die erdachte Grenze von 130% des Wiederbeschaffungswertes nicht übersteigen.
Da für diese hypothetische Frage nicht entscheidend sei, dass - falls eine Versicherung beteiligt ist - ein Vorteilsausgleich in Form einer Wertverbesserung abgezogen wird, wird die Wertverbesserung bei der Ermittlung der 100%- und 130%-Grenzen außenvor gelassen.
Details zum Urteil
Gericht: OLG Bamberg 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 06.09.2017
Aktenzeichen: 5 U 74/17