In einem KFZ-Gutachten sagt der Wiederbeschaffungswert aus, welchen Preis der Geschädigte zahlen müsste, um ein gleichwertiges Fahrzeug wie vor dem Unfall von einem seriösen Händler zu erwerben.
Übersteigen dabei die Reparaturkosten abzüglich des Restwerts den Wiederbeschaffungswert um mehr als 100 %, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Das bedeutet, es ist wirtschaftlich gesehen sinnvoller, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, als das beschädigte zu reparieren.
Bitte hierzu auch die 130-%-Regel beachten, die es dem Anspruchsteller erlaubt, das Fahrzeug reparieren zu lassen, wenn die Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts betragen.
Besteuerung
Der Wiederbeschaffungswert (WBW) beinhaltet einen prozentualen Anteil an Umsatzsteuer. Es hängt davon ab, ob und wie das Fahrzeug am gewerblichen Markt typischerweise gehandelt wird. Hier ein paar Faustregeln:
Regelbesteuerung
Nutzfahrzeuge wie LKW, Transporter und Gabelstapler sowie gewerbliche Sonderfahrzeuge wie Taxen werden fast immer zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Akteuren gehandelt - unabhängig vom Alter des Fahrzeugs. Dementsprechend kann hier immer der reguläre Umsatzsteueranteil von 19 % angegeben werden.
Für alle anderen Fahrzeuge muss der Sachverständige differenzieren.
Neue und junge Fahrzeuge werden überwiegend von Firmen an Händler verkauft, z. B. Jahreswagen aus Vertriebsflotten oder von Mietwagenfirmen. Weil die Firmen die übliche Umsatzsteuer abführen müssen, werden diese Fahrzeuge mit 19 % Umsatzsteuer gehandelt (regelbesteuert).
Differenzbesteuerung
Zwei- bis dreijährige Fahrzeuge sind häufig schon aus den Fuhrparks der Firmen verkauft und werden typischerweise überwiegend von Privatpersonen an Händler verkauft. Weil die Privatperson als Verkäufer keine Umsatzsteuer ausweist, kann der Händler diese nicht als Vorsteuer abziehen. Weil der Händler als gewerblicher Akteur gegenüber seinem Kunden aber Umsatzsteuer ausweisen muss, würde der Händler zu viele Steuern zahlen: Nicht nur auf seinen Mehrwert, sondern auf den gesamten Erlös. Der Gesetzgeber ermöglicht deshalb In diesen Fällen kann die KFZ-Versicherung die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer schätzen und abziehen. Der BGH geht hier von einer Handelsspanne von bis zu 15 % aus. Auf diese was multipliziert mit den 19 % Umsatzsteuer in einer Umsatzsteuer von etwa 2,4 % resultiert.
- altere Fahrzeuge (ab sechs bis acht Jahren) werden überwiegend am Privatmarkt gehandelt. Hier fällt keine Umsatzsteuer an.
Den Geschädigten interessiert dabei vor allem, welcher Betrag von der Versicherung erstattet wird.
Der Sachverständige legt nach den oben genannten Kriterien fest, welche Umsatzsteuer im Wiederbeschaffungswert enthalten ist. Zunächst ermittelt der Gutachter, wie das Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt überwiegend gehandelt wird. Ausschlaggebend ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird. Vgl. BGH, Urteil vom 9.5.2006, Az. VI ZR 225/05:
Dabei ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung [...] an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientiert, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird.
Es ergeben sich folgende Konstellationen:
Geschädigter ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt
Hierzu zählen Privatpersonen und Unternehmer, die nicht der Mehrwertsteuer unterliegen (Kleinunternehmer, Ärzte oder Versicherungsvertreter).
- regelbesteuert
Der Versicherer kann die volle Mehrwertsteuer aus dem Wiederbeschaffungswert (WBW) herausrechnen. - differenzbesteuert
Der Versicherer kann die im Kaufpreis enthaltene Mehrwertsteuer schätzen und abziehen. Dabei hat der BGH die Schätzung einer Handelsspanne von 15 Prozent akzeptiert (BGH, Urteil vom 9.5.2006, Az. VI ZR 225/05). Die Mehrwertsteuer darauf entspricht dann etwa 2,4 % vom Endpreis. - steuerneutral
Wird so ein Fahrzeug überwiegend am Privatmarkt angeboten, stellt sich die Frage nach dem Mehrwertsteuerabzug gar nicht.
Geschädigter ist zum Vorsteuerabzug berechtigt
Hierzu zählen Gewerbetreibende und Unternehmer, die vorsteuerabzugsberechtigt sind. In diesem Fall hängt die Mehrwertsteuer-Erstattung davon ab, wie alt das beschädigte Fahrzeug ist.
- regelbesteuert
Der Versicherer muss den Wiederbeschaffungswert nur netto erstatten. Wenn sich der Geschädigte ein solches Fahrzeug wiederbeschafft, ist in der Rechnung Mehrwertsteuer ausgewiesen. Diese MwSt. bekommt er vom Finanzamt erstattet. - differenzbesteuert oder steuerneutral
Besitzt der Unternehmer ein Fahrzeug, das so alt ist, dass es nicht mehr zum typischen Gebrauchtwagenbestand des Fahrzeughandels gehört, ist der WBW je nach Marksituation als steuerneutral oder differenzbesteuert einzustufen.
Wenn Sie als KFZ-Gutachter den WBW zu Recht als steuerneutral einstufen, weil das Fahrzeuge typischerweise nur noch am Privatmarkt gehandelt wird, muss der WBW auch dann als steuerneutral behandelt werden, wenn der Geschädigte ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist. Vgl. Urteil vom Landgericht Ulm: Urteil vom 19.06.2013 – 1 S 28/13
(Quelle: IWW-Institut)
Wiederbeschaffungswert in autoiXpert
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