Versicherungen nehmen häufig Kürzungen in KFZ-Sachverständigengutachten vor, um ihre Kosten zu reduzieren.
Anbei liefern wir ein paar Beispiele mit möglichen Erwiderungen als Inspiration für Ihre Stellungnahmen.
- Kürzung der Stundenverrechnungssätze
- Beilackierung
- Reifen achsweise erneuern
- Verweis auf günstigere Referenzwerkstätten
- Totalschaden und Reparaturkosten
- fehlende Mitgliedschaft im BVSK
Bitte achten Sie darauf, dass Sie Stellungnahmen immer auf Ihren konkreten Fall beziehen und unsere Formulierung nur als Gedankenanstöße wahrnehmen.
Stellungnahmen als Antwort auf Kürzungen können Sie komfortabel mit autoiXpert erstellen.
Kürzung der Stundenverrechnungssätze
Dies ist einer der häufigsten Gründe für Kürzungen, insbesondere bei fiktiver Abrechnung.
Diese Kürzung ist oft unzulässig, wenn das Fahrzeug
- jünger als drei Jahre ist
- ein durchgehend gepflegtes Scheckheft bei der Markenwerkstatt hat.
Zitat aus Kürzungsschreiben
Die Stundenverrechnungssätze der Markenwerkstatt sind überhöht. Wir verweisen auf günstigere Referenzwerkstätten in der Region, deren Stundenlöhne geringer sind. Daher kürzen wir die Stundenverrechnungssätze entsprechend.
Rechtliche Grundlage
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der Geschädigte bei einem Fahrzeug, das nicht älter als 3 Jahre ist, Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Dies gilt insbesondere bei durchgehender Wartung in einer solchen Werkstatt.
Relevante Rechtsprechung:
Zudem hat ein aktuelles Urteil des AG Köln vom 10.08.2022 gezeigt, dass die von Versicherungen angegebenen Stundensätze von Referenzwerkstätten oft nicht der Realität entsprechen. Hier ist also besondere Prüfung geboten, ob die Argumentation der Versicherung schlüssig ist.
In dem obigen vom AG Köln entschiedenen Fall waren die tatsächlichen Stundensätze der Referenzwerkstatt sogar höher als die im Gutachten geforderten. Das kann eine gute Argumentationsgrundlage sein, um die Kürzung anzufechten.
Mögliche Stellungnahme
Das betroffene Fahrzeug ist 3 Jahre alt und wurde durchgehend in der Markenwerkstatt gewartet. Es liegt ein lückenloses Scheckheft vor, das die regelmäßige Wartung in der Vertragswerkstatt belegt. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass in solchen Fällen die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu erstatten sind.
Aufgrund der dargelegten Fakten und der geltenden Rechtsprechung ist die Kürzung der Stundenverrechnungssätze nicht gerechtfertigt. Daher fordern wir die vollständige Rücknahme der Kürzung der Stundenverrechnungssätze und die Erstattung der im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Beträge in voller Höhe.
Anlagen
Zur Untermauerung unserer Position fügen wir folgende Dokumente bei:
- Kopie des Serviceheftes mit Nachweis der durchgehenden Wartung in der Markenwerkstatt
- Kopie des BGH-Urteils vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09
- Kopie des BGH-Urteils vom 13.07.2010, Az. VI ZR 259/09
- Kopie des Urteils vom Amtsgericht Köln vom 10.08.2022 – 262 C 119/20 zur Problematik der Referenzwerkstätten
Bei Fahrzeugen, die z. B. über 5 Jahre alt sind und nicht regelmäßig in der Markenwerkstatt gewartet wurden, kann eine Kürzung der Markenverrechnungssätze gerechtfertigt sein. Dies gilt unabhängig davon, ob eine tatsächliche Reparatur durchgeführt oder nur fiktiv abgerechnet wird.
Bei Fahrzeugen mit verlängerten Garantieansprüchen (z. B. bis zu 7 Jahre) darf hier ggf. doch auf Markenwerkstätten verwiesen werden, weil sonst möglicherweise Garantieansprüche verfallen. Das ist wie immer im Einzelfall durch Sie als Sachverständiger zu entscheiden.
Beilackierung
Zitat aus Kürzungsschreiben
Eine Beilackierung der angrenzenden Teile ist nicht erforderlich. Es reicht aus, nur die direkt beschädigten Teile zu lackieren. Die Kosten für die Beilackierung werden daher nicht übernommen, da sie nicht unfallbedingt notwendig sind.
Mögliche Stellungnahme
Die Beilackierung angrenzender Teile ist aus folgenden Gründen technisch notwendig und rechtlich geboten:
-
Vermeidung von Farbunterschieden:
Eine Beilackierung ist notwendig, um sichtbare Farbunterschiede zu vermeiden.
Selbst bei gleicher Farbbezeichnung können Umwelteinflüsse, UV-Strahlung und Alterung zu leichten Farbveränderungen auf den benachbarten Teilen geführt haben. Würde ohne Beilackierung lackiert, würden plötzlich Farbunterschiede sichtbar. Der Geschädigte hat jedoch Anspruch auf die Wiederherstellung des Zustands wie vor dem Unfall (§ 249 BGB). -
Richtlinien:
Die Richtlinien des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) empfehlen eine Beilackierung zur Sicherstellung einer fachgerechten Reparatur.
Wir fordern daher die vollständige Rücknahme der Kürzung der Beilackierung und die Erstattung der im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Kosten für die Beilackierung in voller Höhe. Diese Forderung ist sowohl technisch als auch rechtlich begründet und entspricht dem Anspruch des Geschädigten auf Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall.
Anlagen
Zur Untermauerung unserer Position fügen wir folgende Dokumente bei:
- Auszug aus den BVSK-Richtlinien zur fachgerechten Lackierung
- exemplarische Fotodokumentation von Farbunterschieden bei unterlassener Beilackierung (Drittfahrzeug)
Reifen achsweise erneuern
Zitat aus Kürzungsschreiben
Es ist ausreichend, nur den beschädigten Reifen zu ersetzen. Die Kosten für den Austausch des zweiten Reifens an der Achse werden nicht übernommen, da dieser nicht unfallbedingt beschädigt wurde.
Technische Aspekte
-
Gleichmäßiges Fahrverhalten:
Der achsweise Reifenersatz ist notwendig, um ein gleichmäßiges Fahrverhalten zu gewährleisten. Unterschiedliche Profiltiefen oder Reifentypen an einer Achse können zu ungleichmäßigem Bremsverhalten führen, die Fahrstabilität beeinträchtigen (besonders in Kurven oder bei Ausweichmanövern) oder zu erhöhtem Aquaplaning-Risiko führen. -
Sicherheitsrelevanz:
Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs hängt maßgeblich von der Gleichmäßigkeit der Reifen ab. Ungleiche Reifen an einer Achse können die Lenkpräzision verringern, zu erhöhtem Verschleiß von Fahrwerkskomponenten führen oder das ESP-System beeinträchtigen. -
Herstellerempfehlungen:
Die meisten Fahrzeughersteller empfehlen aus Sicherheitsgründen in ihren Betriebsanleitungen ausdrücklich den achsweisen Reifenersatz.
Mögliche Stellungnahme
-
Technische Notwendigkeit
Aus den Herstellervorgaben geht hervor, dass die Reifen nur achsweise getauscht werden dürfen. Ein nicht fachgerechter Austausch stellt laut Reifenhersteller einen erheblichen Sicherheitsmangel dar. -
Rechtliche Aspekte:
Der Geschädigte hat Anspruch auf Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall (§ 249 BGB). Dies schließt die Verkehrssicherheit und das Fahrverhalten des Fahrzeugs ein.
Schlussfolgerung und Forderung
Basierend auf den dargelegten technischen Notwendigkeiten, Sicherheitsaspekten und rechtlichen Grundlagen ist der achsweise Reifenersatz in diesem Fall gerechtfertigt und notwendig. Die Argumentation der Versicherung, nur den beschädigten Reifen zu ersetzen, ist nicht haltbar, da sie die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs und die Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall nicht ausreichend berücksichtigt.
Wir fordern daher die vollständige Übernahme der Kosten für den achsweisen Reifenersatz, wie im Sachverständigengutachten empfohlen.
Anlagen
Zur Untermauerung unserer Position fügen wir folgende Dokumente bei:
- Auszüge aus den Herstellervorgaben zur Empfehlung des achsweisen Reifenersatzes (bitte im Einzelfall recherchieren)
- Sicherheitsempfehlungen von Reifenherstellern (bitte im Einzelfall recherchieren)
Verweis auf günstigere Referenzwerkstätten
Zitat aus Kürzungsschreiben
Wir verweisen auf unsere Partnerwerkstatt, die eine gleichwertige Reparatur zu 30% günstigeren Konditionen durchführen kann. Die Referenzwerkstatt kann die Reparatur technisch gleichwertig durchführen. Daher sind wir nur verpflichtet, die Kosten für die Reparatur in unserer Referenzwerkstatt zu übernehmen.
Rechtliche Grundlagen
Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann eine Versicherung grundsätzlich auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verweisen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Die Reparatur in der Referenzwerkstatt muss technisch gleichwertig sein.
- Die Referenzwerkstatt muss für den Geschädigten ohne Weiteres zugänglich sein (Richtwert: nicht mehr als 20 km Entfernung).
- Der Verweis darf für den Geschädigten nicht unzumutbar sein.
Wichtiger Hinweis:
- Bei Fahrzeugen, die nicht älter als drei Jahre sind, ist ein Verweis in der Regel unzumutbar.
- Bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, aber regelmäßig in einer Markenwerkstatt gewartet wurden, ist ein Verweis ebenfalls unzumutbar.
Mögliche Stellungnahme
-
Technische Gleichwertigkeit:
- Versicherungsargument (Zitat): "Die Referenzwerkstatt kann die Reparatur technisch gleichwertig durchführen."
- Widerlegung:
- Markenwerkstätten verfügen über spezifisches Fachwissen und Spezialwerkzeuge für die jeweilige Marke.
- Regelmäßige Schulungen und Zertifizierungen der Mitarbeiter in Markenwerkstätten gewährleisten höhere Qualitätsstandards.
- Verwendung von Originalersatzteilen in Markenwerkstätten garantiert optimale Passgenauigkeit und Funktionalität.
-
Kosteneinsparung:
- Versicherungsargument (Zitat): "Wir verweisen auf unsere Partnerwerkstatt, die eine gleichwertige Reparatur zu 30% günstigeren Konditionen durchführen kann."
- Widerlegung:
- Günstigere Stundensätze können zu Lasten der Reparaturqualität gehen.
- Der Geschädigte hat Anspruch auf Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall, was die Qualität der Markenwerkstatt einschließt.
- Mögliche Folgekosten durch minderwertige Reparaturen sind nicht berücksichtigt.
-
Zugänglichkeit:
- Versicherungsannahme: Die Referenzwerkstatt ist für den Geschädigten ohne Weiteres zugänglich.
- Widerlegung:
- Die Entfernung zur Referenzwerkstatt ist mit einer Entfernung von 53 km unzumutbar.
- Der Geschädigte hat ein berechtigtes Interesse an der Beibehaltung seiner gewohnten Werkstatt.
Schlussfolgerung und Forderung
Basierend auf den dargelegten rechtlichen, technischen und qualitativen Aspekten ist der Verweis auf eine Referenzwerkstatt in diesem Fall unzulässig. Die Reparatur in einer Markenwerkstatt ist notwendig, um:
- die technische Gleichwertigkeit und Qualität der Reparatur sicherzustellen.
- den Wert und die Garantie des Fahrzeugs zu erhalten.
- dem berechtigten Interesse des Geschädigten an der Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall gerecht zu werden.
Wir bitten Sie daher, die Kosten für die Reparatur in der Markenwerkstatt vollständig zu übernehmen.
Anlagen
- BGH-Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09 ("VW-Urteil")
- Zertifikate der Markenwerkstatt (bitte im Einzelfall recherchieren)
Totalschaden und Reparaturkosten
Zitat aus Kürzungsschreiben
Bei dem vorliegenden Fahrzeug handelt es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Die Reparaturkosten von 11.500€ übersteigen den Wiederbeschaffungswert von 10.000€. Daher sind wir nur verpflichtet, den Wiederbeschaffungswert zu erstatten.
Rechtliche Grundlagen
130%-Regelung
Die 130%-Regelung basiert auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und ermöglicht die Reparatur eines Fahrzeugs auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden unter bestimmten Voraussetzungen:
- Die Summe aus Reparaturkosten und Minderwert darf maximal 130% des Wiederbeschaffungswertes betragen.
- Das Fahrzeug muss vollständig und fachgerecht gemäß Gutachten repariert werden.
- Der Geschädigte muss das Fahrzeug nach der Reparatur noch mindestens sechs Monate nutzen.
Mögliche Stellungnahme
Der Wiederbeschaffungswert liegt bei 10.000€, die Reparaturkosten bei 11.500€. Der Geschädigte möchte das Fahrzeug reparieren und danach weiter betreiben. Damit kann die 130%-Regelung Anwendung finden. Der Minderwert wurde in der Berechnung ebenfalls herangezogen. Reparaturkosten plus Minderwert (300€) liegen innerhalb der 130%-Grenze.
Anlagen
- Aktuelles Sachverständigengutachten mit Verweis auf den Wiederbeschaffungswert und die Minderwertberechnung
- Kostenvoranschlag der Werkstatt zur Demonstration einer möglicher Reparatur
Kürzung des Sachverständigenhonorars wegen fehlender Mitgliedschaft im BVSK
Zitat aus Kürzungsschreiben
Es konnte keine Mitgliedschaft im BVSK, in einem vergleichbaren Verband oder die Zugehörigkeit zu einer Sachverständigen-Organisation festgestellt werden. Gleiches gilt für eine Zertifizierung oder öffentliche Bestellung oder Vereidigung. Daher kommt die Berechnung des Grundhonorars gem. BVSK-Tabelle oder einer vergleichbaren Tabelle nicht in Betracht. Wir kürzen daher das Sachverständigenhonorar auf 500€.
Rechtliche Grundlagen
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Vertragsfreiheit und freie Preisgestaltung:
- Sachverständige haben das Recht auf freie Preisgestaltung ihrer Dienstleistungen.
- Eine Mitgliedschaft im BVSK ist keine gesetzliche Voraussetzung für die Tätigkeit als KFZ-Sachverständiger.
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BGH-Rechtsprechung zur Honorarberechnung:
- Der BGH hat bestätigt, dass eine an der Schadenshöhe orientierte Honorarberechnung grundsätzlich zulässig ist (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06).
- Die BVSK-Honorarbefragung kann als Schätzgrundlage herangezogen werden, ist aber nicht bindend (Urteil des VI. Zivilsenats vom 11.2.2014 - VI ZR 225/13).
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Unzulässigkeit der Diskriminierung:
Eine Kürzung aufgrund fehlender Verbandszugehörigkeit stellt eine unzulässige Diskriminierung dar.
Mögliche Stellungnahme
Die Kürzung des Sachverständigenhonorars aufgrund fehlender BVSK-Mitgliedschaft ist rechtlich unzulässig und nicht gerechtfertigt. Die Qualität und Angemessenheit unserer Gutachten hängt von der fachlichen Kompetenz ab, nicht von einer Verbandszugehörigkeit. Alle Sachverständigen haften für ihre Gutachten (unabhängig von einer Verbandsmitgliedschaft). Die Rechtsprechung, insbesondere die Urteile des BGH, bestätigen die Zulässigkeit einer an der Schadenshöhe orientierten Honorarberechnung und die Verwendung der BVSK-Befragung als Schätzgrundlage. Wir erwarten daher eine vollständige Erstattung des berechneten Honorars.